Kleine Ortsgeschichte
Der grosse Chronist Dürrenbüchigs, Ortsvorsteher a.D. Walter Argast hat anlässlich der 300-Jahrfeier des Stadtteils Bretten-Dürrenbüchig im Jahre 2003 eine kleine Ortsgeschichte verfasst. Sie soll an dieser Stelle in Auszügen wiedergegeben werden.
Auszug:
Dorfgründung am 6. Martij ao. 1703
Jubiläum 300 Jahre Dürrenbüchig
Der zweitkleinste Stadtteil Brettens feiert in diesem Jahr sein 300 jähriges Bestehen. Geburtstag des kleinen Ortes ist genau genommen der 6. März 1703.
Die Dorfgründung, mit markgräflicher Unterstützung (Markgraf Friedrich Magnus von Baden), erfolgte durch Schweizer Einwanderer zusammen mit weiteren unternehmensfreudigen Familien. Als Gründungsdokument von Dürrenbüchig ist das Dekret von 1703 anzusehen ( in Abschrift beim GLA Klrh ).
Zur Vorgeschichte:
Weitab und östlich von Wössingen gelegenes Gelände lag jahrzehntelang verwildert und brach. In dem Dekret von 1703 wurde denjenigen 12 Familien die" vorhabens" das Dürrenbüchig "auszureutten" und als selbstständiges Dorf bzw. "Flecklein aufzurichten" in 16 "Puncten verwilligt" dort zu siedeln. Diese" Puncte" wurden dann auch nochmals in der arn 3. Februar 1713 verhandelten Fleckenordnung bzw. bei der Erstellung des Dürrenbüchiger Dorfbuches niedergeschrieben ( GLA 229/21083)
600 Morgen Gelände wurde den Siedlern versprochen und zwar "specie jedweder" Familie also 50 Morgen. Diese sollten je 1 Morgen für Hofreitte und 4 Morgen zu "Wüßen" gemacht werden.
Bedingt durch die damaligen Vorbesitzverhältnisse des Siedlungsgeländes der beiden Adelsfamilien von Gärtringen und von Gemmingen, wurden bei Dorfgründung auch die Abgaben des großen und kleinen Zehnts bestimmt. Das Fürstbistum Speyer sowie der Markgraf von Baden stritten sich jahrelang um die Zehntrechte des Dorfes. Dürrenbüchig samt seinen markgräflichen Anteilen und Oberwössingen zu 6/7 ebenfalls markgräflichen Anteilen, ergab für den Markgrafen die Folgerung, dass ihm die Zehnteinnahme zustehe.
Streitpunkt war der ehemals gärtringensche Besitz auf Dürrenbüchiger Markung, denn die Zehntrechte hiervon wurden einst an das Kloster Frauenalb geschenkt und das Bistum Speyer bestand deshalb auf die Zehnteinnahme in Dürrenbüchig. Im Verlauf der damaligen Streitigkeiten wurden dann sogar die 14 Familien die das Dörflein Dürrenbüchig nun bewohnten in 7 speyerische und 7 markgräfliche "Unterthanen" durch Los aufgeteilt und per Vertrag festgelegt. (geschehen im Jahre 1726) Der "Zehnte" der bisher an das markräfliche Amt in Stein zu entrichten war, mußte nun an die Einnehmerei des Bistums Speyer in Jöhlingen abgeliefert werden.
Bei Nachforschungen seitens der markgräflichen Regierung wurden im Jahre 1753 Urkunden gesichtet, wonach das Domkapitel in Dürrenbüchig nichts zu fordern hätte und alles was seit 1726 erfolgte, unbegründet gewesen wäre. "Alle Einwohner Dürrenbüchigs seien daher nur markgräfliche Unterthanen und dürften vom Domkapitel keine Befehle mehr annehmen"
Am 26. Februar 1770 wurde dann in Karlsruhe zwischen beiden Parteien ein Vergleich abgeschlossen. Das Domkapitel trat seine gesamten Rechte in Ober - und Unterwössingen sowie in Dürrenbüchig, Münzesheim und Rhodt bei Landau an den Markgrafen ab. Der Markgraf von Baden musste für diese Regelung als Gegenleistung 95000 Gulden bezahlen.
Zum Vergleich: 1 Malter = 87 kg (Korn bzw. Roggen) kostete damals etwa 5 Gulden dies entsprach 8,57 Drv1 bzw. heute 4,38 EURO
Der Verdienst um 1770 lag damals bei 0,43 EURO pro Arbeitstag. Die Übergabe der Anteile des Domkapitels in Wössingen und Dürrenbüchig an den Markgrafen Karl Friedrich und die Huldigung dessen erfolgte am 6. März 1770. Ab dieser Zeit wurde nun auch die längst fällige und von den Siedlern gewünschte Umsteinung der Gemarkung Dürrenbüchig begonnen. Einige noch erhaltene Markungssteine mit der eingemeißelten Jahreszahl 1768 zeugen heute noch davon.
In der napoleonischen Folgezeit mussten junge Einwohner, genau wie in anderen badischen Dörfern durch "Milizenzug " ins Truppenkontingent von Großherzog Karl Friedrich für die von Napoleon geführten Kriege einrücken.Die napoleonischen Kriege und die damit verbundenen menschlichen und materiellen Verluste bis zum Kriegsende 1815 , sowie die zwei folgenden Jahre ( lange Regenzeit, schlechte Ernten und Hungersnot) ließen die Getreidepreise enorm ansteigen. (17 Gulden je Maltersack ) Darlehen mussten aufgenommen werden um die Not einigermaßen lindern zu können.
Dies war schon eine schwere Zeit und Anlass für einige Leute aus Dürrenbüchig auszuwandern (1818) und sich andernorts eine neue Heimat zu suchen. Um 1820 bahnte sich eine merkliche gesellschaftliche Wandlung in Baden an, als das Land daranging die alten bäuerlichen Lasten und Abgaben aufzuheben. Damit wurden die letzten Überbleibsel aus dem Mittelalter beseitigt.
1847 dann eine erneute Hungersnot; Als Folge davon löste bei vielen Menschen die materielle Not gepaart mit politischer Unzufriedenheit in den Jahren 1848/49 eine Revolution aus. Zusammen mit Mannschaften aus Rinklingen und Wössingen marschierten damals auch 13 Mann aus Dürrenbüchig am 10. Juni 1849 Richtung Karlsruhe.
1870/71 schon wieder Kriegswirren. Napoleon 111 erklärte den Preußen den Krieg. Baden stand dieses mal auf der Seite Preußens und Dürrenbüchig musste wieder, wie alle badischen Dörfer, Fuhrleistungen erbringen, aber vor allem Reservisten als Soldaten stellen.
1879, Bau der Kraichgaubahn sowie der Judenbrücke und 1909 erfolgte dann auch die Errichtung der Haltestelle Dürrenbüchig.
Nochmals zurückkommend auf die Dorfgründung, war damals für die Siedler bestimmt das Vorhandenseins oder die Beschaffung des lebensnotwendigen Elements Wasser von größter Wichtigkeit,. Dass ein Brunnen vorhanden war bzw. die Errichtung eines Brunnens durch die Siedler erfolgte, lässt sich in alten Lagerbüchern nachweisen. Der Heimatforscher und Verfasser mehrerer Ortschroniken Herr O. Bickel aus Rinklingen hat im Ortsbuch von Dürrenbüchig unter der Rubrik " Dürrenbüchiger Flurnamen" folgendes recherchiert und aufgeführt: 1714, "Im Brunnenthai" ein Grundstück" Herein auf die Bronnenwiesen stoßend". Im Dürrenbüchiger Dorfbuch von 1713 lautet ein bezeichnender Hinweis auf einen Brunnen, unter Punkt "Weg und Steg" wie folgt: "Item geht ein Fußpfad vom Dörflein weg bey den bronnen vorbey in die Streichenthaler Ze19".Heute noch, bei längerer Trockenheit, zeichnen sich die Umrisse des Brunnental - Brunnens vor dem ehemaligen Lehrergarten, nahe der heutigen Teichanlage ,klar mit seiner Rundkontur am Boden ab. Dieser Fleckenbrunnen und 8 weitere Brunnen die im Dorf über die Zeit bis 1884 hinzukamen, versorgten das "trockene Dürrenbüchig“ mit Wasser. Ais schließlich Dürrenbüchig 1920 elektrischen Stromanschluß erhielt , wurden dann im Jahre 1928 die Brunnen durch Pumpwerk , Wasserleitung und Hochbehälter abgelöst.
Nicht unerwähnt soll die Dürrenbüchiger Kirchen und Schulgeschichte bleiben. 1704 schrieb der Oberwössinger Pfarrer Lindwurm, dass Dürrenbüchig in Oberwössingen eingepfarrt sei. Am Westende des Dorfes ist in Gemarkungsplänen die Flurbezeichnung "Am Kirchenweg " ersichtlich und weist auf die besondere Gegebenheit des einstigen Kirchganges nach Oberwössingen hin.
Die Notwendigkeit ihre Kinder in eine Schule zu schicken war zweifellos von Anfang an gegeben, aber die Siedler begannen zuerst mit dem Bau ihrer Wohnhäuser, Scheunen und Stallungen.
Heute ältester und erhaltener baulicher Komplex in Dürrenbüchig ist der Tiefgewölbekeller des Anwesens Jäger in der Dürrenbüchigerstr.22. Kurioserweise ist da an der Innenseite eines steinernen Türbogens , zum Kellerraum hingewandt, eine Hausmarke und die Jahreszahl 1727 ein Nachweis des Erbauungsjahres .
Als der Markgraf von Baden der Bittstellung um 100 Forlen entsprach und diese bewilligte, konnte um 1713 auch ein Schulhaus erbaut und der Schulsaal gleichzeitig als Betsaal genutzt werden.
Das heutige Rathaus mit Glocken und Uhrtürmchen in der Kraichgaustrasse 1 hat also von der Historik her eine bewegte und besondere Geschichte hinter sich, wurde es des weiteren als Gemeinde-Versammlungsraum benutzt und in vierter Funktion diente es auch noch als Lehrerwohnung. In all den Jahrzehnten vor dem Neubau der Christuskirche (1955) wurde im Beetsaal Kirche abgehalten.
Die Verwaltung des kleinen neugegründeten Dorfes d. h. die Repräsentation sowie die Durchführung der herrschaftlichen Befehle und Verordnungen, wurden dem ersten ehrenamtlich ernannten Anwalt von Dürrenbüchig , Nikolaus Krehbühl übertragen.- Seit 1703 , also von Nikolaus Krehbühl bis dato zu Friedrich Schneider waren bzw. sind genau 30 Bürger als Anwälte , Vögte , Bürgermeister und Ortsvorsteher an der Spitze der Gemeinde und heutigen Brettener Stadtteils Dürrenbüchig. Des Weiteren stellten sich in den vergangenen 300 Jahren viele Bürger in den Dienst für die Allgemeinheit, anfangs im Bürgerausschuss, später als Gemeinderäte und heute als Ortschaftsräte .
1859 wurde das dringend notwendig gewordene Rathaus erbaut und bezogen.
Im Ort stand auch eine Zehntscheune und es gab eine herrschaftliche Kelter. ( Weinanbau in der Flur: Oberer und Unterer Weinberg) Der Standort dieser beiden Gebäude ist heute nicht mehr auszumachen. Auf einer alten Postkarte von 1909 sehen wir ein Spezereigeschäft , (Heutiges Anwesen Bernhard, in der Dürrenbüchigerstrasse 21 ) in welchem sich auch die Posthilfsstelle mit Telefonanschluf! befand. Auf der Postkarte erkennt man auch noch , dass am Schulhauseck und am Rathaus je ein Lichtkandelaber angebracht waren. (Gas od. Petroleum ??1) diese sorgten sicherlich für die damalige nächtliche Beleuchtung, des Dorf - und Rathausplatzes.
In früherer Zeit luden die Gasthäuser Lamm, Ochsen, Rose und Krone zur geselligen Einkehr im Dörfchen Dürrenbüchig ein.
1912 wurde der Turn - und Sportverein Dürrenbüchig gegründet.
Es folgten die zwei Weltkriege 1914/18 und 1939/45 mit all den traurigen Begleiterscheinungen für die Dorfbewohner und Familien. Viele männliche Bürger des Ortes sind in diesen beiden Kriegen gefallen.
1955 Bau der evangelischen Christuskirche Dürrenbüchig.
Neubaugebiet Gartenstrasse ( heute Finkenstrasse ) wird erschlossen und die Dorfkanalisation vorangebracht.
Von der markgräflichen Hauptverwaltung wird der Schloßwald abgekauft. Die seit ca. 260 Jahren bestehende Volksschule ist ab 1966 nur noch Grundschule.
Am 1. Juni 1972 wird Dürrenbüchig im Zuge der Verwaltungs- und Gemeindereform Baden -Württemberg auf Grund eigenen Beschlusses (Bürgeranhörung und Abstimmung: 81 % waren für die Eingemeindung nach Bretten) ein Stadtteil von Bretten.
Im gleichen Jahr wurden bedauerlich die örtliche Poststelle und Grundschule geschlossen.
Dürrenbüchig wuchs in den folgenden Jahren, weitere Neubaugebiete wurden erschlossen.
Der Ort wurde zunehmend für viele als Wohngebiet interessant Ein Kindergarten, der auch noch zum heutigen Datum besteht, konnte gegründet werden (1975)
Der neue Friedhof wurde übergeben und die schöne idyllisch gelegene Teichanlage beim alten Tiefbrunnen konnten 1985 eingeweiht werden.
Die Eröffnung der Stadtbahnlinie S4 im Jahre 1992 war ein weiterer Meilenstein in der jüngsten Geschichte des Stadtteils , kann man doch in kürzester Zeit durch gute Verbindungen zum Mittelzentrum Bretten gelangen, sowie die Großstadt Karlsruhe und die nahe gelegenen Städte Bruchsal , Pforzheim und Heilbronn erreichen.
Besonders hervorzuheben ist die größte Gemeinschaftsleistung Dürrenbüchiger Bürger in jüngster Zeit, in Zusammenwirken von Stadt und Land, der Bau des Dorfgemeinschaftshauses mit integriertem Kindergarten. (Einweihung des Gesamtprojektes war 1998)
Dürrenbüchig hat heute 570 Einwohner und die Gemarkung ist wie einst von Landwirtschaft geprägt.
Schaut man vom Lugenberg (höchste Erhebung 265 m. ü. d. M) oder vom "Rinklinger Buckel " hinunter aufs Dorf , liegt Dürrenbüchig in das mitprägende Landschaftsbild der Streuobstwiesen wie eingebettet.
Für die Führungen beim SWR4-Sommererlebnis im Jahre 2016 habe ich eine kleine Ortsgeschichte im Überblick erstellt. Sie steht demnächst als download zur Verfügung.